Krimidinner – wenn man das hört, denkt man zuerst an die spießige Variante eines Varietés, bei dem zwischen verschiedenen Essensgängen dem Zuschauer ein schlechter, mit Klischees vollgestopfter Krimi vorgespielt wird. Deshalb war ich auch zunächst skeptisch, als ich spontan zu einem Krimidinner eingeladen wurde. Ich wurde allerdings schnell korrigiert. Bei dieser Form des Krimidinners handelt es sich nämlich um eine Art Mischung aus Pen and Paper und Cluedo mit einer feinen Prise Larp, plus Essen mit Freunden. Davon lasse ich mich natürlich schon leichter begeistern.
Das Ganze fängt mit dem Erwerb einer Krimidinnerbox an. Diese enthält alle Informationen, die die Spieler brauchen, um den Krimi in ihrem Wohnzimmer zum Leben zu erwecken. Davon gibt es die verschiedensten Varianten über historische Settings, Fantasy sowie natürlich klassische Krimisettings. Unser Krimi war „Der Mythos der Familie“ von KRIMItotal, und würde in den 1930ern innerhalb einer Mafiafamilie spielen.
Vorspeise
Vor dem eigentlichen Beginn bekamen alle Spieler von unserer Spielleiterin und Veranstalterin ihre Rollenkärtchen zugeschickt. Darauf befinden sich Name und Rollenbeschreibung, die Beschreibung der Ausgangssituation, der Grund unseres Zusammentreffens mit den anderen Spielern sowie ein paar Vorschläge zu Kostümierung und Verhalten.
Da wir einige erfahrene und leidenschaftliche Rollenspieler unter uns hatten, hatten wir unseren Spaß, mit Verkleidung und Akzent zu spielen, Requisiten zu basteln und italienische Ausrufe und Schimpfwörter in die Konversation einfließen zu lassen, wann immer es ging.
Je mehr jeder Einzelne spielte, desto leichter fiel es allen, sich auf das Spiel voll einzulassen. Das hat für unsere Gruppe den Spaß noch einmal deutlich erhöht, für weniger Rollenspielaffine wäre es jedoch problemlos möglich, das Ausschmücken der Charaktere auf ein Minimum zu beschränken.
In unserer Runde wurde zudem auch ein großzügiges Dinner gekocht, von dem nach und nach die verschiedenen Gänge serviert wurden. Auch das ist nicht zwingend notwendig, macht aber mehr Spaß als Pizza zu bestellen und erhöht zusätzlich die Spielauthentizität.
Als wir mit Kostümen, Requisiten und Essen am Veranstaltungsort ankamen und uns genug Komplimente zu unserer Kostümierung gemacht hatten, begannen wir mit dem Prolog. Die Ausgangssituation war ein Familienessen, bei dem zwei vorrangegangene Morde zu besprechen waren. Jeder Spieler erhielt zunächst ein kleines Heft, in dem die persönlichen Informationen zur jeweiligen Spielrunde enthalten waren. Dabei bestand die Voraussetzung, möglichst all diese Informationen auch sinnvoll im Gespräch weiterzugeben. Kein Spieler durfte lügen, bis auf den Mörder. Natürlich galt es herauszufinden, wer der Mörder war und dabei den Verdacht gleichzeitig von sich selbst abzulenken. Das ganze musste jedoch geschickt durch Fragen und Diskussionen gemacht werden. Wer hätte ein Motiv? Wer war wann wo und weshalb? Zu Beginn schien jeder erst einmal unverdächtig, was sich jedoch schnell änderte. Unterstützt wurde unsere Vorstellung durch ebenfalls in der Box beinhaltete Pläne des Hauses und einzelner wichtiger Räume.
Hauptgang
Das Spiel war in einzelnen Runden unterteilt, weshalb es sich anbot, nach jeder Runde eine kleine Pause für den nächsten Gang zu machen. Doch auch während dieser Pausen fielen die Spieler zum Vergnügen aller kaum aus der Rolle, die sie für diesen Abend spielten. Wenn man sich den italienischen Akzent schon einmal angewöhnt hat, will man ihn nicht so schnell wieder ablegen.
Innerhalb der insgesamt 5 Runden kamen zu jeder Person neue Dinge ans Licht und eine immer kompliziertere Handlung entwickelte sich. Wer war zwischen 18 und 18.15Uhr in der Kapelle? Wusste die Donna von der Affäre ihres Mannes? Wer war im Arbeitszimmer des Verstorbenen?
Interessant zu bemerken ist hier, dass die Informationsfülle für die einzelnen Figuren rundenweise sehr unterschiedlich war. In Runde eins erhielt meine Figur gerade einmal einen Absatz an Informationen und in Runde 4 waren es bereits 2 Seiten im Hinweisheft. Jedoch gab es kaum Leerläufe für die einzelnen Spieler. Zwar gab es optionale Rollen, die nicht unbedingt notwendig waren für die Handlung, aber auch diese konnten zu jeder Zeit mitbefragen und Vermutungen und Anschuldigungen äußern.
Gegen Ende hin wurde es nahezu kompliziert, den Überblick über die Fülle an Uhrzeiten und kleinen Ungenauigkeiten zu behalten. Am Ende der letzten Runde angekommen erhielt nun jeder Spieler einen Zettel, auf dem er seine Vermutung für den oder die Mörder und die Mordmotive abgeben sollte. Nachdem diese ausgewertet waren, wurde eine Person standesgemäß unter lautem Protest abgeführt.
Nach Applaus und der Rückkehr des Festgenommenen wurde dann endlich aufgelöst und trotz unserer überragenden Kombinationsgabe gab es noch einige Überraschungen für uns.
Als Kritik kann man anmerken, dass einige Informationen unklug verteilt waren und die einzelnen Figuren sie erst zu spät im Spiel erhielten. So wurde uns beispielsweise erst recht spät mitgeteilt, dass es einige Stunden zuvor ein Gewitter gegeben hatte. Diese Information hätte zu Anfang schon Sinn gemacht. Auch die Uhrzeitangaben, die gerade in der vorletzten Runde in großer Fülle vorkamen, passten stellenweise nicht ganz zueinander, wo sie hätten passen müssen.
Dessert
Allgemein ist es jedoch bis auf kleine Schönheitsfehler ein guter Krimi gewesen, der sich in diesem Wohnzimmer abgespielt hat. Es wurde mit Klischees gespielt, ohne vorhersehbar zu werden und alle Spieler hatten großen Spaß an der Umsetzung. Auch der Spielleiter, der in diesem Fall die Rollen verteilt und das Intro vorliest etc. hat theoretisch die Möglichkeit mitzuspielen, da es für sie/ihn nicht notwendig ist, den Mörder zu kennen. Dazu müsste sie/er jedoch die Rollenkärtchen der einzelnen Personen bewusst nicht lesen und die Rollen nur anhand der Kurzbeschreibungen vergeben.
Da dies mein erstes Krimidinner war, war ich anfangs skeptisch. Mittlerweile bin ich jedoch komplett überzeugt. Es ist ein schönes Spiel, für das man keine Vorkenntnisse braucht und das kurzweilig und doch abendfüllend sein kann.
Es ist eine schöne Möglichkeit, Rollenspieler und Leute, die mit dieser Art Spiel nichts zu tun haben, zusammenzubringen oder einfach auch mit Freunden zusammen etwas ganz Neues auszuprobieren, da es jedem selbst überlassen bleibt wie ernst er oder sie das Spiel nehmen will und wie viel wirklich geschauspielert und vorbereitet wird.
Wenn ich persönlich nicht schon Pen and Paper – begeistert wäre, könnte ich mir ein solches Krimidinner auch gut als Einstieg in dieses Genre vorstellen, da die Rahmenhandlung und die Figur schon gegeben ist, man sie jedoch nach Belieben mit Leben füllen kann. Dies wird auf jeden Fall nicht mein letztes Krimidinner gewesen sein und ich bin schon gespannt, was für ein Setting ich beim nächsten Mal ausprobieren werde.
Ein Gastbeitrag von Julia.
Julia ist studierte Kommunikationsdesignerin und in ihrer Freizeit leidenschaftliche Schauspielerin und Künstlerin. Sie ist Larperin, Geekculture-begeistert und immer an neuen Projekten und Aufgaben interessiert.
Ihr erreicht sie unter julia@fi-himmelsbach.de