Der Young Adult Roman ‚Loveless‘ von Alice Oseman handelt von einer jungen Frau namens Georgia, die in Durham, England ihr Studium beginnt und sich dabei langsam mit ihrer eigenen sexuellen Identität auseinandersetzt.
Die Protagonistin liebt die Liebe. Filme, Bücher, Shakespeare und Fanfictions gehören zu ihren Leidenschaften. Allerdings hat Georgia selbst noch nie romantische oder gar sexuelle Anziehung gespürt, weder gegenüber Männern, noch Frauen.
Auf circa 400 Seiten erzählt Alice Oseman Georgias Coming-Out Geschichte als aromantische, asexuelle Frau. Sie erzählt von Selbstzweifeln, Angst, Aphobie aber auch von Freundschaft und den verschiedenen Arten von Liebe und persönlichem Glück.
Der Roman ist im Juli 2020, also diesen Monat, erschienen und bisher nur in Englisch erhältlich.
Oseman selbst bezeichnet sich selbst als ‚queer woman‘ und sagt es handelt sich um ein own voices Werk.
Der englische Klappentext lautet wie folgt:
It was all sinking in. I’d never had a crush on anyone. No boys, no girls, not a single person I had ever met. What did that mean? Georgia has never been in love, never kissed anyone, never even had a crush – but as a fanfic-obsessed romantic she’s sure she’ll find her person one day. As she starts university with her best friends, Pip and Jason, in a whole new town far from home, Georgia’s ready to find romance, and with her outgoing roommate on her side and a place in the Shakespeare Society, her ‘teenage dream’ is in sight. But when her romance plan wreaks havoc amongst her friends, Georgia ends up in her own comedy of errors, and she starts to question why love seems so easy for other people but not for her. With new terms thrown at her – asexual, aromantic – Georgia is more uncertain about her feelings than ever. Is she destined to remain loveless? Or has she been looking for the wrong thing all along? This wise, warm and witty story of identity and self-acceptance sees Alice Oseman on towering form as Georgia and her friends discover that true love isn’t limited to romance.
Loveless ist ein sehr charmanter Roman, der mit liebenswerten, lebendigen Figuren besticht. Georgias beste Freundin Pip ist lesbisch und wir begleiten sie dabei, wie sie sich in eine andere Studentin am Campus verliebt, mit allen Höhen und Tiefen und den Sorgen zweier junger, queerer Frauen. Weitere Figuren sind Jason, Georgias bester Freund, Rooney, welche extrem sex-positiv ist, aber Probleme mit emotionalen Bindungen hat und Sunil, der ebenfalls asexuell ist, die Pride-Gruppe an der Universität leitet und Georgia bei ihrer Selbstfindung unterstützt.
Man merkt dem Buch deutlich an, dass es aus diesem Jahr ist, denn es bezieht sich ziemlich oft augenzwinkernd auf aktuelle Popkultur, wie etwa Filme, die die Freunde zusammen ansehen, TikTok und zynische Kommentare zu Präsident Trump. Auch die Fanfictions, die Georgia liest, werden explizit mit Pairings genannt – die ich zugegebenermaßen nicht alle kannte.
Der Roman ist allgemein in leichter, jugendlicher Sprache geschrieben und wechselt zwischen Georgia als Ich-Erzählerin und Gruppenchats des Freundeskreises.
Die Sprache, aber besonders die Gedanken und Erkenntnisse der Protagonistin haben mir öfter vor Augen geführt, dass ich nicht unbedingt die altersbedingte Zielgruppe bin. Georgia ist frische 18 und auch die Autorin selbst ist etwas jünger als ich.
Mit 10 Jahren Altersunterschied sind nicht alle ihre Erlebnisse für mich ‚relatable‘ und an bestimmte Situationen wäre ich einfach anders und reflektierter rangegangen. Das tut dem Buch natürlich keinen Abbruch, sondern ist nur eine persönliche Anmerkung, weil ich als ace-Frau meine Erfahrung und Gedanken unweigerlich mit Georgia verglichen habe.
Das Gefühl unvollständig zu sein
Tatsächlich ist aber im Kern sehr vieles von Georgias Geschichte auch meine eigene Geschichte, trotz Altersunterschied. Das konstante Hinterfragen, sich für kaputt und anders halten. Das ständige Vergleichen mit anderen Leuten und der leise Neid, auch ‚normal‘ sein zu wollen.
Die vielen a-phoben Sprüche wie „Das kannst du nicht sicher wissen“, „Du hast nur nicht den Richtigen gefunden“ oder „Du bist krank, lass deine Hormone überprüfen. Bist du vielleicht traumatisiert?“ gehören leider zum Alltag. Weniger direkt aber leider oft genauso schmerzhaft sind der heteronormative Umgang mit Sexualität und Romantik der Umgebung. Familie, die fragt ob man denn schon einen netten Jungen kennen gelernt habe oder die bestürzt sagt, man würde doch ohne Partner einsam und unglücklich sterben. Dabei wird nie die Frage gestellt, was Glück für die Person überhaupt ist oder ob es nicht auch andere Gesichter haben kann als Ehemann, Haus und Kinder.
Das endet leider fast immer in dem Gefühl „kaputt“ zu sein und sein Leben zu verpassen. Georgias Gedanken und Ängste dazu sind unglaublich gut und authentisch geschrieben und klingen teils so vertraut, dass ich das Buch zwischendurch weglegen musste, um durchzuatmen.
Zum Glück erzählt Loveless in erster Linie aber eine schöne, warmherzige Geschichte über Liebe, die viele Gesichter hat. Freundschaften, die nicht weniger wert sind als Beziehungen, Erfüllung in Hobbies, Beruf und Liebe zu sich selbst. Liebe muss nicht immer romantischer (oder sexueller) Natur sein, um erfüllend und wirklich wertvoll zu sein. Und das lernt Georgia auf sehr herzerwärmende Weise mit ihren engsten Freunden und Erfahrungen.
Loveless ist ein schönes, teilweise emotionales Buch für Menschen auf dem aromantischen und/oder asexuellen Spektrum, aber ich halte es auch für ein sehr wichtiges Buch für Leser, die eben nicht auf dem Spektrum sind, den die a-spec Community ist weitestgehend leider immer noch unsichtbar. Und das trägt dazu bei, dass es für viele Menschen so lange dauert, überhaupt ihre Identität zu finden.
Viele Menschen wissen nicht einmal was Asexualität ist und entsprechend (unabsichtlich) ignorant und verletzend sind Kommentare, die bei Outings oder Gesprächen fallen. Selbst in LGBTQIA+ Räumen werden A-Spec Menschen immer wieder ausgeschlossen und diskriminiert – durch Unwissenheit und Ignoranz.
Viele der Freunde von Georgia, die selbst LGBT sind, haben noch nie von asexuell oder aromantisch gehört und reagieren harsch und verständnislos, bringen Sprüche, die man einer homosexuellen Person heute so nicht mehr sagen würde (außer man will natürlich bewusst verletzen).
Alice Osemans vierter Roman ist also nicht nur eine emotionale, unterhaltsame, lustige Geschichte einer jungen Frau, er leistet auch sehr viel Aufklärung, die immer noch bitter nötig ist.
Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen und ich möchte mich auch bei der Autorin bedanken. Ich habe mich noch nie so sehr gesehen gefühlt.
I’ve learnt some things. Like the way friendship can be just as intense, beautiful and endless as romance. Like the way there’s love everywhere around me – there’s love for my friends, there’s love for my paintings, there’s love for myself.
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