„Kindheit in Seiten” ist der Name der Artikelreihe, in der bei Red Riding Rogue über die liebsten Bücher der Kindheit und Jugend geschrieben werden darf. Ich habe als Kind sehr, sehr viel gelesen, was ich unter anderem darauf schiebe, dass ich keinen Fernseher hatte und auch am Familiengerät nur sehr wenig gucken durfte. „Dann les ich halt ein Buch, pah!“ Es gibt schlimmeres. Die ersten Bücher, an die ich mich erinnere, waren entweder Buchreihen (Der kleine Vampir, TKKG) oder Bücher, die meine Eltern im Regal hatten. „Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finn“, Pippi Langstrumpf, den einen oder anderen Jules Verne oder mein meistgelesenens Buch, „Die unendliche Geschichte“. Nur die Karl-May-Sammlung habe ich niemals angerührt.
Fragt man mich nach meinem Lieblingsbuch, antworte ich auch meistens „Die unendliche Geschichte“, da das aber hier noch von Larissa vorgestellt werden wird und da ich mich auch nicht gerne wiederhole, möchte ich euch heute von einem sehr ähnlichen Buch erzählen, das mir als Jugendlicher sehr wichtig war und das viele Parallelen zur unendlichen Geschichte aufweist: Ralf Isaus „Neschan Trilogie“. Meine Eltern konnten es nicht mehr mit ansehen, dass ich immer wieder dasselbe Buch las, und schenkten mir zu Weihnachten ein ähnliches: den dritten Band der Neschan-Trilogie. Ja, korrekt, den dritten. Der war da wohl gerade neu und sie hatten nicht bemerkt, dass es eine Trilogie war. „Das Lied der Befreiung Neschans“, ein wunderschönes, dickes, in rot eingebundenes Buch, habe ich dann trotzdem direkt gelesen. Und einige Monate später, als ich zum Geburtstag die anderen beiden Bände bekam, direkt nochmal.
Wie auch bei Michael Ende gibt es in der Neschan-Trilogie zwei Welten. Die eine ist unsere zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg, hier lebt Jonathan Jabbok. Im Rollstuhl sitzend lebt er mehr oder weniger isoliert von seiner Umwelt. In seinen Träumen flüchtet er sich in die Fantasy-Welt Neschan, wo er als Yonathan das genaue Gegenteil seines irdischen Alter Egos zu sein scheint. Stark, mutig, alles, was Jonathan gerne wäre. Während Yonathan seine Quest in Neschan verfolgt, den heiligen Stab Haschevet dem siebten Richter zu überbringen, um die Welt zu retten, sitzt Jonathan alleine in seinem schottischen Heim. Yonathan taucht immer nur auf, wenn Jonathan schläft. Außerdem wird Jonathan immer schwächer und die Träume immer länger. Es stellt sich heraus, dass beide Welten real sind und J(Y)onathan in beiden existiert, aber nur in einer existieren sollte. Für welche wird er sich entscheiden?
Die Neschan-Trilogie weist einige Parallelen zur unendlichen Geschichte auf und das ist kein Zufall. Ralf Isau bewunderte Michael Ende und dieser hatte aufgrund einer zugesendeten Kurzgeschichte Isaus dann auch den Kontakt zum Verlag hergestellt, woraus dann mit der Neschan-Trilogie das Erstlingswerk entstand. Da ich mich immer sehr schwer damit tu, neue Bücher zu entdecken, bleibe ich einem Autoren oft länger treu und lese alles von ihm (oder ihr). Bei Ralf Isau hat das ein paar Jahre gehalten. Es folgten „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“, „Das Echo der Flüsterer“, „Das Netz der Schattenspiele“ (quasi ein Cyberthriller) und die vier Bände „Der Kreis der Dämmerung“. Seitdem war Ralf Isau fleißig und hat noch über 20 weitere Romane veröffentlicht, für mich kam aber schon keins der ersten Werke mehr an „Neschan“ heran, nach der „Dämmerung“-Quadrilogie hab ich auch kein Werk mehr von ihm gelesen.
Wie auch mit „Die unendliche Geschichte“ verbinde ich mit „Neschan“ eine gewisse melancholische Stimmung, ein Gefühl des Eskapismus. Ich war als Kind eher einsam, traurig, fühlte mich unverstanden (ja okay, wer nicht) und diese Bücher halfen mir, in eine andere Welt zu entfliehen. Leider machte mich das dann nur noch trauriger, wenn sie vorbei waren und ich wieder in die graue Realität musste. Daher habe ich “Neschan” – genau wie “Die unendliche Geschichte” – immer und immer wieder gelesen. Das letzte Mal ist schon lange her, vielleicht wird es mal wieder Zeit…
Ein Gastbeitrag von David.
Wenn David nicht gerade bei Zockwork Orange über Videospiele schreibt, befüllt er eines seiner zu vielen anderen Blogs, fotografiert Katzen, spielt Pokémon Go oder kocht. Manchmal arbeitet er auch als Webentwickler, um Geld für die ganzen Hobbies (und die Katzen) zu verdienen.
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