Eigentlich wollte ich diesen Artikel nicht schreiben, da er bestimmt schon hundertmal geschrieben wurde, wahrscheinlich auch besser, sachlicher.
Ich habe begonnen für diesen Artikel zu recherchieren, um euch Screenshots zu zeigen, die belegen was für unglaublichen Mist selbsternannte Fans jeden Tag ins Internet schreiben – aber wurde dabei so wütend, dass ich diesen Text nun lieber als kurzen Kommentar aufziehen möchte. Seid also gewarnt, das hier ist sehr subjektiv.
Das Thema? Die Problematik mit extremen Rassismus und Sexismus in der Popkultur, die in den letzten Jahren aufgeflammt ist.
Mara hat mit ihrem Text „Die Sache Mit Der Toxischen Nostalgie“ bereits viel Wichtiges zu dem Thema gesagt und doch könnte man noch ganze Bücher über diese Phänomene schreiben.
Da das Star Wars Fandom hier eine ganz wundervolle Angriffsfläche bietet, knüpfe ich direkt mal an Mara an:
Kürzlich wurde nicht nur der Vertrag von Lucasfilm Präsidentin Kathleen Kennedy verlängert, wenige Tage später kündigten die offiziellen Star Wars Accounts erstmalig eine Live-Action Serie mit dem Titel „The Mandalorian“ an.
„Die Mandalorianer, mandalorianisch Mando’ade für „Kinder von Mandalore“, sind ein clanbasiertes, nomadisch lebendes Volk. Im Gegensatz zu anderen Völkern in der Galaxis definieren sie sich weniger über Rasse, Spezies oder Herkunft, sondern über eine gemeinsame Ideologie und Identität, die die Mandalorianer miteinander verbindet. Aufgrund ihrer kriegerischen Philosophie, verbunden mit einem starken Sinn für Clan, Gemeinschaft und Familie, gehören sie sicher zu den widersprüchlichsten Völkern.“
Toxische Nostalgie und egozentrische Erwartungshaltungen
Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind die Kopfgeldjäger Boba und Jango Fett, wobei Boba Fett ein Klon ist und mit der mandolorianischen Lebensweise eigentlich nichts mehr zu tun. Beide Figuren tragen, wenn man es genau nimmt, nur die ikonische Rüstung dieses Volkes, ohne wirklich Teil davon zu sein. Trotz allem hat sich durch den extremen Erfolg der Boba Fett-Figur ein Hype um dieses Volk eingestellt, besonders bei Fans des extended universe.
Statt sich allerdings über die Akündigung von neuem Fanfutter zu freuen, wer hätte es anders erwartet, traten die „besorgten Star Wars-Fan“ auf den Plan und fluteten Instagram und Twitter-Kommentare mit Perlen wie „Wahrscheinlich ist es eine schwarze, vegane trans-Frau hahaha, f*ckt euch, Disney!“ oder gleich direkt „Kathleen Kennedy ruiniert weiterhin unser Franchise, Frauen raus aus Star Wars!“
Ja. Ganz davon abgesehen, dass noch keinerlei Casting für „The Mandalorian“ bekannt gegeben wurde, woher kommt dieser Hass gegen Frauen? Dieser Hass gegen alles, was nicht in die weißen Helden-Norm passt?
Die Star Wars-Filme, die ich gesehen habe, haben mit Prinzessin Leia die Frauenrollen im Sci-Fi-Genre revolutioniert und waren schon immer unkonventionell. Wir reden hier von einer fiktiven Galaxie, in der Droiden sprechen, ein riesiger Blob Sklavenhändler ist und Leute Dinge mit mystischer Energie fliegen lassen. Wir sind also okay mit blauer Haut, Yoda und Lichtschwertern – aber nicht mit Frauen oder farbigen Menschen.
So etwas ausgerechnet zu einer Serie zu den Mandalorianern zu schreiben ist Ironie in ihrer feinsten Form, da genau dieses Volk sich durch Vielfältigkeit definiert und Schwarz-Weiß-Denken komplett ablehnt.
Nicht nur das; Jango Fetts Darsteller in den Prequels ist ein Ureinwohner Neu Seelands – und damit PoC. Und das schon 2002.
Und überhaupt: Kritisiert Star Wars nicht ohnehin am laufenden Band konservative Weltbilder?
Die Helden der ursprünglichen Saga sind buchstäblich ein Team von Revolutionären, das sich gegen eine totalitäre, unterdrückende, diktatorische Regierung auflehnt.
In den Prequels wird durch Anakins Perspektive der religiöse Extremismus des Jedi-Ordens kritisiert.
Wenn also in 2018 Menschen anfangen sich zu beschweren, dass ihr heiliges Star Wars doch bitte nicht politisch werden soll, frage ich mich ernsthaft, ob diese Leute dieselben Filme gesehen haben wie ich.
Alles ist politisch. Jedes Medium trägt eine Aussage mit sich. Man kann nicht nicht kommunizieren. – Wie Paul Watzlawick so schön sagte.
The Mandalorian, erstes Teaser-Bild
Das Phänomen, dass auf den Cast von The Force Awakens mit so viel Rassismus reagiert wird, ist leider ein perfekter Spiegel der aktuellen Geisteshaltung unter Trump. Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, stellen „eine Gefahr für erfolgreiche Männer dar“, Ausländer klauen unsere Kinder und Arbeitsplätze und ein diverser Cast zerstört die Immersion des armen, weißen Konsumenten. Diversität und Political Correctness werden einem „ins Gesicht gedrückt“, wie es so schön in zahlreichen Kritiken heißt.
Ich persönlich empfinde ja Menschen, für die Diversität keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein Marketingmittel, das ihnen direkt negativ ins Auge springt und sie in ihrem Konsum stört, als das viel größere Problem.
Denn warum? Warum sollte eine ganze Galaxie mit den verschiedensten Kreaturen existieren und dann findet sich in den Heldenreihen ganz selbstverständlich ausschließlich fünfmal Harrison Ford?
Diese Selbstverständlichkeit ist schlichtweg nichts Anderes als White Privilege.
Besitzen Menschen so wenig Empathie, dass sie sich mit einer Figur mit lateinamerikanischen Wurzeln weigern zu identifizieren, weigern mitzufiebern?
Eigentlich muss ich mir nicht einmal die Mühe machen und dieses Verhalten hinterfragen, denn es beruht nicht auf Fakten, auf nachvollziehbaren Gedanken und den Diskurs kann man sich sparen.
Es ist toxische Nostalgie, die nicht nur alles Alte verklärt und soweit verzerrt, dass alles Unerwünschte einfach ausgeblendet wird (Leia? Lando Calrissian? Liberale Politik?), sondern in ihrer Endform einfach eklatanter Rassismus ist und auch so genannt werden sollte.
Ich habe bereits über den female gaze in The Last Jedi geschrieben und über die wichtige Rolle Kylo Rens und das vermittelte Bild von Männlichkeit. Scheinbar ist die Anregung alte Rollenbilder zu überdenken und kritisieren so verrückt, dass „Fans“ sich auch anderthalb Jahre nach später noch dazu genötigt fühlen sich über The Last Jedi auszulassen. Überall. Unter jedem Posting.
Rassismus unter dem Deckmantel des “Fan-Seins”
Wenn man solche Kommentare liest, fragt man sich doch ständig, ob diese Leute manchmal ihr Haus verlassen. Denn dort draußen gibt es ziemlich viele Frauen. Und ganze Kontinente voll mit Menschen anderer Hautfarbe.
Anzunehmen, dass weiß, männlich, hetero, cis dass „Standard-Paket“ ist und das Maß aller Dinge ist einfach nur zutiefst problematisch.
Hollywoods Publikum besteht schon lange nicht mehr nur aus huttragenden weißen Männern aus der Oberschicht. Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Und kleine, weiße Jungs haben mehr Vorbilder als Sand am Meer. Sie werden es bestimmt überleben, dass Finn farbig ist. Sogar mehr als das, es wird vielleicht eine Generation großziehen, für die Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sexualität… einfach keine Rolle spielt. Eine Generation von Menschen, die Figuren für ihren Beitrag zu der Geschichte bewerten und sonst nichts. Ist das wirklich etwas, was man zynisch als „politisch korrekt“ abtun muss?
Dabei wird bei Bewegungen wie dem Feminismus oder Black Lives Matter niemandem etwas genommen. Marginalisierte Gruppen bitten lediglich um gleiche Rechte, denselben Respekt. Genommen wird nur ein „Privileg“, welches in erster Linie gar nicht existieren sollte und nur durch Kolonialisierung, Gewalt und Unterdrückung überhaupt erreicht wurde.
Genau die Dinge, die Star Wars also wortwörtlich als das Böse darstellt. Merkt ihr was?
Diese extrem problematische Einstellung zu weiblichen, queeren und anderen diversen Rollen zieht sich leider komplett durch das Geek-Fandom, so sehr, dass Rassismus schon wieder salonfähig geworden ist, nur eben versteckter.
Erst letztens las ich einen Kommentar, wie unmöglich es doch sei, dass die Figur der MJ in Spider-Man: Homecoming von einer „komischen Mexikanerin“ gespielt werde. MJ habe doch bitte weiß und rothaarig zu sein.
Im Marvel Universum, in dem es 15 Peter Parkers und mindestens 124 verschiedene Erde-Planeten gibt, MUSS! MJ weiß sein. Alles andere wäre nicht authentisch und Verrat an dem Original.
Das schlimmste daran ist ja, das Zendaya, die Schauspielerin von der die Rede ist, nicht einmal Mary Jane Watson spielt, sondern Michelle Jones. Der Nickname MJ war nichts weiter als eine Anspielung, ein Augenzwinkern an die Figur aus den Comics.
Ach ja: Mexikanerin ist Zendaya übrigens auch nicht.
Zendaya in Marvels Spider-Man: Homecoming
Der Backlash gegen Zendaya wurde sogar noch abstruser: Als Gerüchte aufkamen, dass sie für die Rolle der Arielle in einem Disney Live Action Remake im Gespräch sei, schrieben „besorgte Bürger“ ganze Essays darüber warum eine schwarze Frau nicht Unterwasser leben könne und warum das Melanin in ihrer Haut mit der Sonneneinstrahlung im Ozean problematisch wäre. Ja, ihr lest richtig. Wir reden hier von Arielle, einer Meerjungfrau, deren beste Freunde eine singende Krabbe und ein sprechender Fisch sind.
Traurig ist doch, dass diese Filme, Serien, Fandoms das Potential haben Menschen auf der ganzen Welt in ihrer Liebe für etwas zu vereinen und alle gleichermaßen zu begeistern und wir stattdessen diese ermüdenden Diskussionen führen.
Es wäre schön, das ganze nur als laute, trollende Minderheit abschreiben zu können, hätten diese Menschen nicht bereits diverse Star Wars Schauspieler von Social Media gemobbt, in Drogenabhängigkeit geschickt oder zum Karrierewechsel gezwungen.
Es ist doch traurig, dass man sich schämen muss, sich selbst als Fan einer Serie zu bezeichnen, weil man weiß, was für ein Rattenschwanz mittlerweile an dieser Bezeichnung hängt.
Es ist Zeit wieder lauter zu sein. Bis Diversität die Selbstverständlichkeit ist, die sie eigentlich schon längst sein sollte.
Hallo Larissa,
ich habe auf Twitter in der letzten Zeit öfter gelesen, dass Leser*innen/Fans sich über Diversität in Büchern beschweren. Ich habe das (zum Glück) bisher noch nicht mitbekommen, daher gerade mit Interesse Deinen Artikel gelesen.
Ich muss sagen, ich kann es auch überhaupt nicht verstehen! Was Du über Arielle schreibst – da rauft man sich ja die Haare!
Es ist einfach so erschreckend, wie Rassismus wieder salonfähig wird.
Liebe Grüße
Petrissa
Ich bin in einer Star Wars Community aktiv und kann leider nur bestätigen was du schreibst.
Sobald eine Hauptfigur vorgestellt wird die nicht weiß, männlich und hetero ist kommen entsprechende Kommentare. Das nervt mich persönlich sehr.
Da hilft wohl nur gegen halten.
Das war doch auch beim Theaterstück von Harry Potter so eine heftige Diskussion, als Hermine von einer farbigen Frau gespielt wurde. Warum ist die Hautfarbe überhaupt so wichtig? Wieso wird nicht auf die schauspielerische Leistung, auf die Darstellung des Charakters geachtet? Seit wann bestimmt das Äußere über Können und Talent?
Und warum müssen wir diese Diskussion überhaupt führen? Wie kommt man überhaupt auf den Gedanken, dass Vielfalt scheiße ist? Was genau verliert man denn dadurch?
Für mich macht Rassismus bezüglich Aussehen keinen Sinn. In jedem Haut- und Haartyp gibt es schöne Aspekte. Und in jedem Menschen fließt rotes Blut. Jeder von ihnen kann ein wundervoller Mensch sein. Jeder kann aber auch ein Arschloch sein. Wir Menschen sind doch so viel mehr als unser Aussehen. Wir sind so viel mehr als eine Nationalität, Sexualität oder Religion. Und jeder Mensch hat irgendwas an sich, was ihn wertvoll und einzigartig macht.
Hey!
Puh, ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll, ich bin echt geschockt, wütend und habe eine Gänsehaut.
Das Beispiel mit der schwarzen Arielle hat mich kurz aus dem Leben gehauen, vor allem aber die “Begründung” mit dem Melanin und der Sonne. Wie kaputt sind die Menschen eigentlich?
Mit fehlen wirklich die Worte.
Und wie ihr/du so schön formuliert hast: blaue, grüne Haut ist okay, genauso wie der Fakt mit einer Krabbe zu sprechen, aber Frauen oder schwarze in solchen Filmen nicht? Ich brech zusammen.
Danke. Für den Beitrag, für deine Stimme.
Liebe Grüße,
Nicci
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar. <3
Die Arbeit, die sich manche Leute machen, um ihren Rassismus zu rechtfertigen ist echt verblüffend. Immer schade, wenn sowas dann ausgerechnet im eigenen Fandom geschieht, so dass man sich dafür schämen möchte.