Wenn ein Spiel ganz offen das Label trägt, eine Anleitung von einem “Verführungsguru” an Männer zu sein, die mit möglichst wenig Aufwand und maximaler Erfolgsquote Frauen zum Sex bewegen möchten, dann erklären sich gewisse Dinge von selbst. Niemand, der Super Seducer: How to Talk to Girls von “Pick Up Artist” Richard La Ruina spielt, wird überrascht sein, dass Frauen darin auf nicht mehr als die Sexobjekte reduziert werden, für die La Ruina sie hält.
Super Seducer: How to Talk to Girls gives players complete freedom to screw up and fail.
Mit diesen Worten beginnt Richard La Ruinas kürzlich auf Steam veröffentlichte Lehrvideosammlung. Aufgemacht ist Super Seducer als ein FMV, also ein Adventure-Spiel, bei dem die Videos echter Schauspieler als Reaktion auf die Handlungen des Spielers abgespielt werden. Diese Handlung ist in diesem Fall das Auswählen von Aktionen, die eine angesprochene Frau zum Sex bewegen sollen. Der Schauspieler, der diese Aktionen anschließend demonstriert und zusätzlich erklärt, ist La Ruina selbst. Je nach Auswahl des Spielers drängt er dann eine Frau auf offener Straße vom Weg ab, greift ihr an die Brust oder attackiert sie verbal. Von den jeweils gegebenen Optionen ist immer nur eine die korrekte, die ein Weiterspielen ermöglicht. Alle anderen sind falsch, zwingen zur Wiederholung der Sequenz und führen nicht selten zu genau solchen verstörenden Handlungen. Wie das Intro des Spiels es bereits verkündet, sollen Spieler darin ausprobieren können, was man mit einer Frau alles tun kann, wenn man sie ins Bett bekommen möchte. Was im ersten Moment wie ein gutes Übungsobjekt klingen mag, ist aber in Wahrheit enorm bedenklich. Denn welche Art Mensch braucht eine Anleitung mit Ausprobierfunktion dafür, keine Frau zu begrapschen? Und warum kommt die Anweisung, eine Frau nicht ohne ihre Einwilligung zu berühren, erst nachdem gegrapscht wurde?
Frauen mögen das
Was Super Seducer so gefährlich macht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der La Ruina nicht nur moralisch verwerfliche und, hier in Europa wie in den U.S.A, illegale Handlungen hinwegrationalisiert. Das bedeutet konkret, dass er von jeder verwerflichen Tat mit der gleichen Ratio Abstand nimmt, mit der er alle für seinen Zweck ‘richtigen’ Taten begründet: Effizienz. Super Seducer rät Männern nicht davon ab, Frauen in der Öffentlichkeit gegen ihren Willen zu berühren, weil man so etwas einfach nicht tut. Das Spiel möchte Männer auch nicht davon abbringen, weil es mit dem Tatbestand der sexuellen Nötigung eine Straftat wäre, die in Deutschland nach §177 des Strafgesetzbuchs, in Amerika nach Titel VII des Civil Rights Act von 1964 mit Gefängnis bestraft werden kann. Super Seducer rät davon ab, Frauen in der Öffentlichkeit gegen ihren Willen zu berühren, weil es nicht funktioniert. “Frauen mögen es nicht.” Lautet La Ruinas Ratschlag aus dem ersten ‘Date-Szenario’ des Spiels. “Zumindest nicht so früh im Gespräch.” Dass es nichts mit Vorliebe zu tun hat, nicht von einer fremden Person angefasst werden zu wollen, lässt La Ruina unerwähnt. Das muss er auch, denn alles andere würde der Botschaft seiner Videos und Workshops komplett widersprechen.
Frauen in Super Seducer haben nämlich kein Recht auf einen eigenen Willen. Dort, wo ein solcher doch hindurch scheint, ist es das konkrete Ziel von La Ruina, ihn zu unterbinden oder durch gezielte Manipulation soweit zu entwerten, dass er ignoriert werden kann. Die ersten beiden Aktionen im Spiel, einer Frau auf der Straße begegnen und sie ansprechen, laufen laut La Ruina idealerweise so ab: Der Verführer soll der Frau auf der gleichen Straßenseite mittig auf dem Gehweg entgegenkommen, damit sie keinen Platz hat, an ihm vorbei zu laufen. Kurz vor ihr soll er stehen bleiben, sodass sie ihren Gang verlangsamen und ebenfalls Halt machen muss. Für den Verführer das Zeichen, dass sie empfänglich für seinen nächsten Schritt ist, nämlich sie anzusprechen. “Frag sie doch nicht, ob du mit ihr reden kannst!” Ruft ein kopfschüttelnder La Ruina, wenn die falsche Aktion ausgewählt wird. “Dann kann sie ja nein sagen.” Klickt man den richtigen Button, erscheint La Ruina erneut, diesmal zwischen zwei eher desinteressiert wirkenden Frauen in Unterwäsche, die vermutlich als optische Belohnung für den erfolgreichen Pick Up-Schüler dienen sollen. „Gut so, sag ihr, dass sie gut aussieht. Mach ihr ein Kompliment, am besten mit Mode oder Kunst. Frauen mögen das.“
Heißt nein nein?
Zuvor schrieb ich, dass La Ruinas Super Seducer illegale Handlungen verharmlosen würde. Darauf muss ich selbstverständlich noch etwas weiter eingehen. Stimmt es denn überhaupt?
Die U.S. Commission for Equal Employment Opportunity beschreibt den Tatbestand für sexuelle Belästigung, in diesem Fall zwischen Angestellten oder von Vorgesetzten, als Referenz für Arbeitnehmer in verständlichen Worten. Darin fällt folgender erklärender Satz:
Although the law doesn’t prohibit simple teasing, offhand comments, or isolated incidents that are not very serious, harassment is illegal […]
Obwohl das Gesetz Sticheln, flapsige Kommentare oder einzelne Vorfälle, die nicht sonderlich schwerwiegend sind, nicht verbietet, ist Belästigung illegal […]
Anders als das deutsche Recht, das seit 2016 mit §177 Absatz 1 und 2 einen “Nein heißt Nein”-Paragraphen besitzt, der sich nicht erst auf Vergewaltigung, sondern bereits auf sexuelle Nötigung erstreckt, setzt das U.S.-Recht erst erheblich später Strafen an. Es ist mir ohne vorheriges Studium des nordamerikanischen Rechts nicht möglich, eine konkrete Einschätzung von “einzelnen Vorfällen, die nicht sonderlich schwerwiegend” sind, abzugeben. Sicher scheint mir jedoch, dass diejenigen Vorfälle, die in Super Seducer explizit abgebildet werden, unter diese Ausnahme zu fallen scheinen. Warum? Obwohl hier mit recht wenig Spielraum zum Wegdiskutieren sexuelle Belästigung gezeigt wird, so steht sie doch immer im Kontext des Abratens. Die von La Ruina als ‘wirkungsvoll’ bestätigten Aktionen, so manipulativ und moralisch fragwürdig sie zweifelsfrei auch sind, bleiben legal. Kritische Handlungen wie das als ‘ancreepen’ bezeichnete Umschleichen oder das Auspacken seines Geschlechtteils auf Spotten einer Frau hin werden stets als ineffektives Verführungsmittel gezeigt und als Witz präsentiert. La Ruina rät also nicht dazu, zum Sexualstraftäter zu werden, er demonstriert nur, wie es aussehen würde. Damit bricht er wohl tatsächlich keine U.S.-Gesetze, sondern lediglich die Grenzen des guten Geschmacks.
Doch nur in diesen vom Verführer zu vermeidenden Situationen bekommen die angesprochenen Frauen eigene Handlungsspielräume, indem sie La Ruina abweisen, auslachen oder anschreien: Ein klares Statement zur Vermeidung weiblicher Agency. Dass es nichts mit Humor zu tun hat, Menschen zu belästigen und ihnen das eigene Genital in einer Bar zu präsentieren, auch wenn man danach einen Game Over-Status eingeblendet bekommt, ist La Ruina so fremd wie die moralischen Komplikationen, die sein gezeigtes Verhalten in einer Gesellschaft auslösen könnte, in der solche Machwerke offen beworben und verkauft werden dürfen.
Sozial enthemmt
Nun ist Super Seducer mit einer Zahl zwischen 8000 und 12000 Besitzern laut SteamSpy nicht unbedingt ein Verkaufsschlager auf Valves Verkaufsplattform Steam. Beunruhigend ist dabei auch nicht die Anzahl an Menschen, die sich dazu entschlossen haben, Geld für Super Seducer auszugeben. Weder ist uns bekannt, wie viele Besitzer davon von La Ruina einen kostenlosen Key erhalten haben noch wissen wir, aus welchen Gründen eventuelle Käufe vonstatten gegangen sind. YouTube-Videos, auch im deutschsprachigen Raum, auf denen Super Seducer herzlich verlacht wird, gibt es genügende. Problematisch ist die reine Präsenz von Super Seducer auf der marktführenden Plattform für Videospielverkäufe auf dem PC. Super Seducer findet seinen Weg in wöchentliche Sales, die Ferienaktionen von Steam und vielleicht sogar in die Discovery Queues einiger Spieler. Das Spiel verbreitet die Ansicht, Frauen als Objekte für die eigene Lustbefriedigung zu betrachten sei der Weg eines erfolgreichen Mannes und normalisiert so Misogynie. Es lässt sich spekulieren, dass der Umstand, eine solche Software auf Steam frei zugänglich zu finden, gleichermaßen die Weltanschauung von Männern wie La Ruina normalisieren. Wenn es ganz normal ist, Anleitungen zum Aufreißen von Frauen zwischen Sportspielen und Rundenstrategie zu finden, dann kann es auch eher akzeptabel sein, einen Mann mit dergleichen Ambitionen in der eigenen Gesellschaft zu akzeptieren. Um die These der Deutlichkeit halber mit einem Beispiel zu überspitzen: Der psychologische Begriff der Enthemmung beschreibt ein Ausfallen der „höheren“ Funktionen in der präfrontalen Hirnrinde, wodurch die Hemmung „niederer“ Hirnfunktionen wie des Sexualtriebs nachlässt und es der betroffenen Person akzeptabel erscheint, den entsprechenden Trieb auszuleben. Analog dazu könnte die öffentlich akzeptierte Existenz eines Spiels wie Super Seducer den unkritischen Teil des öffentlichen Diskurses enthemmen. Wo es okay ist, sich die Anleitung zur kategorischen Objektifizierung von Frauen mal eben zu kaufen, da wird es möglicherweise auch in Ordnung sein, sie anzuwenden.
Nicht nur Super Seducer: Ein plattformübergreifendes Problem
Warum lässt Valve La Ruinas sexistisches Machwerk also auf Steam zu? Hätte der Konzern nicht zumindest eine moralische Verantwortung, auch wenn das Spiel rechtlich gesehen auf der nordamerikanischen Plattform angeboten werden darf? In die Köpfe von Valves Entscheidungsträgern zu blicken ist natürlich nicht möglich, und ein Statement auf meine Nachfrage bei Valve steht noch aus. Das Argument, Valve würde sich aus Profitgier nicht um die moralischen Fallstricke ihrer Angebote scheren, wenn sie nicht dazu gezwungen werden, liegt freilich nahe, erscheint aber paradox, wenn man sich einige der zuvor getroffenen Entscheidungen ansieht. Valve ist berüchtigt dafür, Spiele mit einem Fokus auf Sexualität besonders kritisch zu beäugen und, wie etwa im Fall von You Must be 18 or Older to Enter, von Steam zu entfernen. Gleichzeitig dürfen jedoch humoristische Spiele mit sexuellen Implikationen wie Shower with your Dad Simulator 2015 verkauft werden. Auch Ecchi-Spiele, teilweise mit Hentai-Inhalten, werden in immer kürzer werdenden Abständen auf Steam veröffentlicht. Deren explizite Inhalte müssen zwar zensiert werden, der offizielle Uncut Patch darf jedoch nach Belieben von den Entwicklern im entsprechenden Community Forum angeboten werden. Und auch Spiele, die sich nicht anders beschreiben lassen als mit dem Adjektiv ‘problematisch’, finden sich auf Steam: Tropical Liquor macht aus dem Gefügigmachen junger Mädchen durch Abfüllen mit Alkohol ein Memory-artiges Spiel, an dessen Ende sich besagtes Mädchen mindestens auszieht. Problematisch ist dabei weniger das Ausleben einer Machtfantasie an betrunkenen Frauen, wenn das auch in sich bereits ein kritischer Punkt ist, über den es sich an anderer Stelle zu reden lohnen würde. Nein, schlimmer noch: Die Darstellung der eindeutig besonders jung gezeichneten Frauen weist nicht weniger auf die Minderjährigkeit der Figuren hin als etwa in Gal Gun 2, dem die USK erst kürzlich aufgrund von Verstößen gegen die Posendarstellung Minderjähriger das Siegel verwehrte.
Es scheint also, als würde sich Valve also durchaus zu sexuellen Inhalten auf ihrer Plattform positionieren wollen. Die Grenze, ab der solche Inhalte gemäß Valve jedoch zu problematisch für Steam werden, scheint verzerrt und nicht nachvollziehbar. Spiele, die sich kritisch und aufgeklärt mit Pornographie und Masturbation beschäftigen, fallen darunter, offen sexuelle Inhalte, selbst in gewissem Maße Pornographie, und Ratgeber für den schnellsten Weg zum Sex aber nicht.
Auch andere Plattformen ringen mit einer generellen Regelung für problematische sexuelle Inhalte in Spielen. In Sonys PlayStation Network-Shop lassen sich Grenzfälle wie Criminal Girls: Invite Only und Gal Gun: Double Peace, in denen sehr jung gezeichnete Anime-Mädchen mit Peitschen respektive Pheromonpistolen traktiert werden, problemlos kaufen. Super Seducer hingegen hat es immerhin nicht ins PSN geschafft: erst kurz vor Release der PC-Version hat Sony La Ruina die Veröffentlichung versagt. Ob dem japanischen Konzern die objektifizierte Darstellung realer Frauen generell stärker aufstößt als die von gezeichneten Figuren, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Allen Plattformen wird jedoch eines gemeinsam bleiben: Super Seducer wird nicht der letzte Problemfall sein, mit dem sie sich befassen müssen.
Ein Gastbeitrag von Pascal.
Pascal Wagner studiert kulturelle und kognitive Linguistik sowie deutsches Recht in München und liebt es, über Kultur und Sprache in Videospielen auf seiner linguistischen Website Language at Play zu schreiben. Besonders angetan haben es ihm die japanische Popkultur und Indiespiele, die er auf seinem Blog Indieflock und für Polyneux rezensiert.
Ihr erreicht ihn auf Twitter unter @indieflock
Ehrlich gesagt habe ich auf YouTube schon einige interessante Gespräche zu dem Spiel gesehen, die zufällig in entsprechenden Let’s Plays statt fanden. Das ist nämlich der Vorteil, wenn man nicht immer alles gleich aus Wut und Hysterie verbietet: Man redet darüber, analysiert es, vergleicht es mit den eigenen Verhaltensweisen oder Ansprüchen, betreffend Männlein wie Weiblein. Der Beweis, dass ein Spiel wie “Super Seducer” die Folge haben soll, dass die Bevölkerung gleich grabschend auf die Straße rennt, bleibt ebenso aus. Da hätte ich gerne ne Studie, Statistik, etc. bekommen. Was die deutsche und amerikanische Rechtslage mit dem Spiel zu tun hat, verstehe ich nicht nur nicht, weil La Ruina Brite ist, sondern ebenso in Anbetracht der Normalität der Darstellung unmoralischen Verhaltens und Verbrechen, die uns sämtliche Unterhaltungsmedien seit Jahren aufs Gemüt schmieren. Die Studien, dass Videospiele uns dazu treiben, Gesehenes oder Gespieltes nachzuahmen bleiben ebenso aus.
Mal Klartext: Es gehört zur sexuellen Selbstbestimmung dazu, dass sich Menschen gegenseitig sexualisieren, ja auch dass sie sich ins Wochenende stürzen, um sich gegenseitig aufzureißen. Das passiert jeden Tag auf der Welt. Daher missfällt mir das Gerede von “sexueller Objektifizierung”, weil dies wie so Vieles im Leben kontextabhängig ist. Wenn Menschen andere Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt ausschließlich für Sex mit nach Hause nehmen und sich danach nie wieder beieinander melden, ist das vollkommen ok. Die Grundvoraussetzung hierfür ist lediglich, dass es auf Fairness und Ehrlichkeit aufbaut. Und da wären wir beim Thema Pick Up Artists. Von denen halte ich nämlich recht wenig, wenn es darum geht Frauen für Sex zu manipulieren und auszunutzen. Ja, “ausnutzen” ist hier das wichtige Wort und der Unterschied zur sexuellen Freiheit. Das ist mir im Artikel zu hysterisch und undifferenziert formuliert.
Auch wundert mich folgender Satz: “Denn welche Art Mensch braucht eine Anleitung mit Ausprobierfunktion dafür, keine Frau zu begrapschen? Und warum kommt die Anweisung, eine Frau nicht ohne ihre Einwilligung zu berühren, erst nachdem gegrapscht wurde?”. Ich wage zu bezweifeln, dass der Autor die metoo-Debatte verpasst hat. Warum Männer auf die Idee kommen fremde Frauen ohne entsprechenden Kontext, Flirtsituation, etc. anzugrapschen, wird uns allen stets ein Rätsel bleiben. Sind das einfach egoistische Arschlöcher oder glauben die tatsächlich, dass es gut ankommt? Egal, dennoch wird es getan und es ist nicht ok. Videospiele könnten in der Hinsicht tatsächlich die Funktion haben spielerisch auf das Thema aufmerksam zu machen, denn sie sind stets ein Sandkasten für Experimente und Erfahrungen, die man im Leben nicht tätigen kann. Klar, die Prämisse von “Super Seducer” ist eine andere, könnte jedoch zu diesem Zweck abstrahiert werden. Zumindest entnehme ich das einigen Let’s Plays in denen plötzlich (zwar humoristisch, aber immerhin) darüber gesprochen wird, wie creepy nicht nur die Auswahlmöglichkeiten, sondern auch die Tipps des Spiels eigentlich sind. Durch solche Gedankenspiele kann sich die Pick Up-Kultur selbständig entlarven. Denn wenn jemand in “Super Seducer” eine Frau angrapscht und danach sein Handeln reflektiert, ist mir das persönlich lieber, als selbiger Sachverhalt im Reallife.
Solche Artikel denken mir dementsprechend nicht genügend drüber nach. Da geht’s eher nur darum auf der richtigen Seite zu stehen und sich zu empören, anstatt auch mal zwei Minuten über einen Sachverhalt und entsprechende Lösung nachzudenken. Schade, weil dieser Blog mE normalerweise genau das tut, und das sogar reflektiert und besonnen.
Vielen Dank für diese ausführliche Ergänzung in deinem Kommentar. Es ist doch auch gut, wenn uns solche Artikel zum Denken anregen und darüber diskutiert wird. Somit werden im Beitrag selbst und deinem Kommentar (und vielleicht noch kommenden) mehrere Perspektiven aufgezeigt und das Thema ausführlich(er) behandelt.
Und vielen Dank für die lieben Worte am Ende deines Kommentars, es freut uns immer, wenn man auch positives Feedback schreibt und sich nicht immer erst dann angesprochen fühlt, wenn einem etwas negativ aufstößt.
Ich bin leider gegenteiliger Meinung: Verbote sind dann keine guten Werkzeuge, wenn sie das Bewusstsein nicht dahingehend verändern können, so dass man versteht, warum Dinge problematisch oder falsch sind. D.h. ein solcher Artikel liefert lediglich Gründe, warum “Super Seducer” nicht verkauft werden sollte. Ich sage: Nehmen wir das Spiel, spielen wir es und reden darüber, reflektieren wir uns selbst, tauschen wir Meinungen aus. DAS ist letztendlich ein Diskurs, der im Internet bereits statt findet und an dem sich der Autor scheinbar stört, und obwohl er bereits selbst feststellt, dass sie das Internet tendenziell darüber belustigt, prophezeit er, dass dieses Spiel die Rape-Culture befeuert. Ich traue der Bevölkerung dennoch zu den Diskurs zu führen, der Artikel scheinbar nicht. Daher bitte weniger Hysterie und mehr Verstand und Differenzierung.
Ich denke auch, dass Spiele wie Super Seducer zwingend erlaubt und (für Erwachsene) zugänglich bleiben sollten, da es für die moralische Selbstverortung essenziell ist, sich auch mit Themen und Inhalten auseinanderzusetzen, die man als fragwürdig oder gar als falsch empfindet.
Insbesondere Super Seducer ist in seiner Präsentation so übertrieben und bizarr, dass ich gar nicht so recht einordnen kann, wieso jemand den absurden Spielinhalt mit dem Abgleich von Gesetzestexten plötzlich eine Aussagekraft und einen Einfluss unterstellt, den ein solches Werk vermutlich gar nicht hat. Schließlich rollen wir ja auch jedes Mal mit den Augen, wenn wieder einmal die Killerspieldebatte hochkocht.
Die zweifelhaften Äußerungen und Szenen in einem solchen Spiel lassen sich sicher deutlich unverkrampfter entlarven, als es ein solcher Artikel tut, der direkt in der Überschrift die Zensuralarmglocken bis 12 schlagen lässt. Das führt bei denen, die wirklich zuhören sollten, dann nur zu einer Blockadehaltung, die jedwede gesunde Diskussionskultur im Keim erstickt.
Einen Zensuraufruf sehe ich in meinem Text oder der Überschrift nun wirklich nicht. Ich spreche mich aber deutlich gegen das aus, was Super Seducer ist bzw. sein will und tut, weil ich es für bedenklich halte. Meinst du, ich hätte es nicht mit der Freigabeverweigerung von Gal Gun 2 in Kontext setzen sollen? Ich sehe das durchaus Diskussionsgegenstand eines verwandten Feldes, zu dem ich im zweiten Teil des Textes überleite. Das jedoch das theoretische Nichterscheinen von Spielen wie SS oder Gal Gun auf Steam nichts mit Zensur oder einem Existenzverbot zu tun hat, muss ich dir denke ich nicht erklären. Dass ich mit dem zitierten Recht auch nicht zu argumentieren versuche, dass man SS verbieten müsse, sondern zeigem will, warum eine Zensurdiskussion, wenn sie von manchem Standpunkt auch sinnvoll erscheinen würde, hier obsolet ist, kannst du dem Text hoffentlich ebenfalls entnehmen.
Klar hast du recht damit, dass die Überschrift das Thema des Textes überspitzt. Das ist ja auch ihr Zweck, aber über das Wording kann man durchaus diskutieren bzw ich mir nochmal den Kopf zerbrechen. Ich würde dir aber insoweit widersprechen, dass ich glaube, wer sich von der Überschrift so vor den Kopf gestoßen fühlt, dass er/sie nicht in der Lage ist, den Sinn des Textes aufzunehmen, den/die hätte ich ohnehin nicht erreicht und der Person bin ich dann auch keine Diskussion schuldig.
“Der Beweis, dass ein Spiel wie „Super Seducer“ die Folge haben soll, dass die Bevölkerung gleich grabschend auf die Straße rennt, bleibt ebenso aus. Da hätte ich gerne ne Studie, Statistik, etc. bekommen.”
Der Artikel stellt hier ja nur – etwas weniger schrille als in deiner Zuspitzung zusammengefasst – eine These auf, die keinen Anspruch darauf stellt, bewiesen zu sein, und sich der Falsifizierung auch anbietet. Dass das jedoch aus der Formulierung nicht eindeutig klar wurde, sehe ich ein, und ich habe es auf deinen Kommentar und die Kritik der hilfsbereiten Nina Kiel eindeutiger gemacht.
“Was die deutsche und amerikanische Rechtslage mit dem Spiel zu tun hat, verstehe ich nicht nur nicht, weil La Ruina Brite ist […]”
Davon abgesehen, dass hier ein deutscher Text unter anderem den amerikanischen Marktriesen Valve bespricht: RLR Training Inc, das Entwicklerstudio hinter Super Seducer sowie gleichzeitig La Ruinas ‘Agentur’, wenn ich sie einmal so nennen darf, sitzt in North Carolina, U.S.A. SS spielt ebenfalls in den U.S.A., wie im ersten Szenario ersichtlich wird. Es sind hier also die für diesen Zweck richtigen Texte aufgeführt. In einer eventuellen Extended-Version des Artikels kann ich mich aber gern auch noch zusätzlich mit dem entsprechenden britischen Passus beschäftigen.
“[…] sondern ebenso in Anbetracht der Normalität der Darstellung unmoralischen Verhaltens und Verbrechen, die uns sämtliche Unterhaltungsmedien seit Jahren aufs Gemüt schmieren.”
Dass die unterschiedliche Intention, mit der die “Darstellung unmoralischen Verhaltens” betrieben wird, auch unterschiedliche Wirkungen haben und anders bewertet werden sollten, muss ich dir denke ich nicht erklären. Abgesehen davon ist das Whataboutism.
“Wenn Menschen andere Menschen zu einem gegebenen Zeitpunkt ausschließlich für Sex mit nach Hause nehmen und sich danach nie wieder beieinander melden, ist das vollkommen ok.”
Richtig! Hat nur nichts mit dem Text zu tun, denn:
“Die Grundvoraussetzung hierfür ist lediglich, dass es auf Fairness und Ehrlichkeit aufbaut. Und da wären wir beim Thema Pick Up Artists. Von denen halte ich nämlich recht wenig, wenn es darum geht Frauen für Sex zu manipulieren und auszunutzen. Ja, „ausnutzen“ ist hier das wichtige Wort und der Unterschied zur sexuellen Freiheit.”
Hiervon handelt schließlich der Artikel. SS empfiehlt, unter anderem, das Lügen zum Zweck des Ausnutzens. Also genau so, wie du es hier beschreibst. Es freut mich, dass wir dabei einer Meinung sind. Ich habe aber das Gefühl, dass du das Spiel hier nicht so verstehst, was ich sehr bedenklich finde.
“Klar, die Prämisse von „Super Seducer“ ist eine andere, könnte jedoch zu diesem Zweck abstrahiert werden. Zumindest entnehme ich das einigen Let’s Plays in denen plötzlich (zwar humoristisch, aber immerhin) darüber gesprochen wird, wie creepy nicht nur die Auswahlmöglichkeiten, sondern auch die Tipps des Spiels eigentlich sind. Durch solche Gedankenspiele kann sich die Pick Up-Kultur selbständig entlarven.”
Auch hier stimme ich dir zu. Einige Beispiele hierzu habe ich ja auch verlinkt, viele weitere existieren sicher ebenfalls. Das sich die von mir aufgestellte These (siehe oben) eben nicht auf die reflektierten Reviewer, Kulturkritiker und Feuilletonisten bezieht, sondern auf den eben nicht kritisch reflektierten Teil der Spielenden, aus dem der Großteil der Games-Rezipienten mit großer Wahrscheinlichkeit besteht, steht so ja auch dabei. Das darf jedoch in keinem Fall dem Spiel zugerechnet werden, sondern ist der Verdienst der kritischen Kulturrezipienten, die daraus mehr machen, als es ist. Klar kann man daraus für SS irgendwie eine Existenzberechtigung ableiten, aber das muss man schon deswegen nicht, weil ja keiner dem Spiel die Existenz verbietet (siehe hier zur detaillierten Klärung auch nochmal unten, meine Antwort auf Marcus’ Kommentar).
“Denn wenn jemand in „Super Seducer“ eine Frau angrapscht und danach sein Handeln reflektiert, ist mir das persönlich lieber, als selbiger Sachverhalt im Reallife.”
Die Meinung kann man durchaus moralisch vertreten. Mir persönlich ist es eben lieber, wenn niemand irgendwo sexuell belästigt, auch nicht virtuell. Spiele entstehen eben immernoch aus einer Kultur heraus und wirken zurück in sie hinein, aber ich denke, warum ich “Ist doch nur ein Spiel” für grundsätzlich falsch halte, muss ich hier nicht ausbreiten.
Ich finde es sehr schade, dass du den Artikel hier nicht so besonnen gelesen zu haben scheinst, wie du das selbst verlangt hast, denn dann wäre dir vielleicht nicht entgangen, dass er keinesfalls “hysterisch und wütend” ist, wie du das so schön ausgedrückt hast, sondern eine Art der Betrachtung und einen größeren Kontext für ein kritisierenswertes Werk anbietet. Selbstverständlich darfst du der These widersprechen und sie gerne auch widerlegen. Sie ist aber nicht der einzige Inhaltspunkt dieses Textes, und ich bekomme den Eindruck, dass dein Kommentar sie als nicht mehr als einen Aufhänger für deine eigene Wut nutzt, dass hier jemand deine Sicht der Welt nicht teilt.
Da ich auf Twitter (https://bit.ly/2qvisE7) mitbekommen habe, dass du meinen Kommentar als “hasstriefende, sexistische Nebelkerze” (?) empfunden hast, kann ich auf deinen Kommentar ja doch noch einmal eingehen.
1. Zitat) Eine derartige These ohne jegliche Belege aufstellen und somit das Verbot eines Spieles zu rechtfertigen, ist eben jene Hysterie, von der ich sprach. Löblich, dass du dies auch scheinbar selbst eingesehen und den Text dahingehend geändert hast.
2. Zitat) Gut, das mit dem Firmensitz war mich nicht bekannt. Danke für die Aufklärung.
3. Zitat) Whataboutism wäre, wenn ich sagen würde, dass A ok geht, weil ja auch B existiert. Ich sage jedoch, dass es keine Belege gibt, die ein Problem bei B aufzeigen und ich somit frage, was A hier unterscheidet. Du sprichst von Unterschieden in der Intention, auf die ich bereits in meinem Kommentar eingegangen bin
“Videospiele könnten in der Hinsicht tatsächlich die Funktion haben spielerisch auf das Thema aufmerksam zu machen, denn sie sind stets ein Sandkasten für Experimente und Erfahrungen, die man im Leben nicht tätigen kann. Klar, die Prämisse von „Super Seducer“ ist eine andere, könnte jedoch zu diesem Zweck abstrahiert werden. ”
4. Zitat) Dein Artikel hinterlässt bei mir leider überwiegend den Eindruck als wäre eine rein sexuelle Beziehung zwischen Mann und Frau etwas Reduzierendes. Daher habe ich diesen Punkt in meinem Artikel ausgeführt.
5. Zitat) Ich habe mir lediglich ein paar Let’s Plays angesehen und daher meine Einstellung allgemeingültig formuliert. Wenn sich das mit deinen Einstellungen deckt, brauchst du mir nicht etwas Gegenteiliges zuschreiben.
6. Zitat) Hier stimmst du mir zu.
7. Zitat) Da wären wir wieder bei meiner Äußerung mit dem Sandkasten.
Schade, dass deine Antwort unter dem Artikel nicht zu deiner tatsächlichen, auf Twitter geposteten Meinung passt. Was am Inhalt meines Kommentars nun hasstriefend oder sexistisch sein soll, kann ich nicht nachvollziehen, weil ich in Bezug auf sexuelle Belästigung oder Pick Up Artists eindeutig Stellung beziehe. Ich hoffe du kannst das wenigstens schlüssig für dich selbst begründen, wenn du solche Aussagen über mich öffentlich machst.
Erst mal vorweg: Sehr guter Artikel! Ich bin froh, dass jemand so mutig ist und dieses Thema mal anspricht.
Meine Frage wäre, inwiefern die SchauspielerINNEN denn eine gewisse Verantwortung tragen, bei so etwas überhaupt mitzumachen. Glauben Sie, dass die Frauen wussten, woran sie sich beteiligen? In den Szenen ist ja manchmal schon ein bisschen deutlich, welche Absichten die Produzenten haben.
Vielleicht sollte man Schauspielerinnen so etwas wie Ethikunterricht geben, wo ihnen gesagt wird, dass sie bei sowas nicht mitmachen dürfen. Weil solche Werke ja auch schlecht für alle Frauen ist. Männer sind ein hoffnungsloser Fall, die machen sowieso, was sie wollen. Aber bei Frauen besteht noch Hoffnung.
Oder denken Sie, dass man Frauen nur genügend Geld bieten muss, damit sie bei sowas mitmachen? Aus Spaß haben sie es ja sicherlich nicht gemacht.
Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Frauen so opportunistisch sein sollen. Ein Rätsel.
Das hat mich bei den Harvey-Weinstein-Geschichten auch so schockiert. Dass Frauen so einen dicken jüdischen Troll über sich ergehen lassen, nur um einen Job zu bekommen.
Ich hoffe, dass Artikel wie ihrer dazu beitragen, dass Frauen nicht mehr bei sowas mitmachen und Männer künftig die Handy in ihrer Hosentasche lassen.
Marcus hat es hier in seinem Kommentar perfekt zusammengefasst.
Ich finde es sehr schade wie hier sexuelle Belästigung als Aufhänger und sogar Headline genutzt wird. Man kann gerne Texte über sexuelle Belästigung schreiben, es gibt viele gute, wichtige Texte. Aber wenn ein Spiel rein gar nichts damit zu tun hat, finde ich das sehr gefährliches Clickbaiting. Da wurde in den anderen Texten hier sehr viel besser recherchiert.
Liebe Alice,
Wenn du wirklich der Meinung bist, sexuelle Belästigung und die Inhalte von Super Seducer hätten nichts miteinander zu tun, dann wundert mich dein Kommentar nicht. In diesem Fall ist sie aber soweit entfernt von meiner persönlichen Meinung und in meinen Augen so falsch, dass ich keine Diskussionsgrundlage mit dir habe. Ich empfehle dir aber gerne, die Antworten auf die Kommentare von Marcus und Rainer Schauder noch zu lesen, vielleicht geben sie dir etwas mit.
Als weiterführendes, lesenswertes Feedback möchte ich den Piq von Rainer Sigl und Christian Huberts’ Kommentar dort einmal hier verlinken: https://www.piqd.de/technologie-gesellschaft/wenn-sexuelle-belastigung-zur-spielmechanik-wird