Meine Mutter ist seit ihrer eigenen Kindheit begeisterter Bücherwurm und hat mir solange ich denken kann vorgelesen. Das fing bei den sympathischen Geschichten von Wili Wiberg an, ging über Winnie Puuh und Simsalabom Und Einmal Schwarzer Kater – Ferien Auf Dem Zauberschloss bis zu Erich Kästner’s Emil Und Die Detektive. Vorgelesen bekommen fand ich also schon immer schön und ich bin sicher, dass die Vorliebe für Bücher meinen Instinkt Germanistik zu studieren befeuert hat. So wirklich selbst lesen wollte ich aber irgendwie nicht so gerne (außer Comics und Bert’s Tagebücher, die waren irgendwann zu peinlich, sich Jungsgeschichten in der Vorpubertät von der Mama vorlesen zu lassen). Ich war mehr mit Actionfiguren, Videospielen und Samstagmorgens-Cartoons beschäftigt: klassisches 80er-Kind halt.
Als meine Mom dann anfing Harry Potter zu lesen und es mir empfiehl, dachte ich, das sei ein Kinderbuch und fand das mit 14 nicht besonders cool. Mit dem dritten Teil, Harry Potter und der Gefangene von Askaban, hat sie mir die Reihe aber so dermaßen hartnäckig ans Herz gelegt, dass ich diesem Band dann doch eine Chance geben musste. Und wie das so oft im Leben ist: hör auf Mama! Sie sollte Recht behalten – es gefiel mir. So ward meine neu entfachte Liebe zur Literatur besiegelt! Natürlich wollte ich danach die ersten beiden Teile lesen und fortan haben wir uns gemeinsam jedes Mal auf das neue Buch von Joanne K. Rowling gefreut. Der Gefangene Von Askaban hat in mir eine Faszination für fantastische Gestalten, Magie und Übernatürliches erweckt, welche schnell in die Vertilgung jeglicher mir erreichbarer Fantasy-Literatur mündete, allen voran natürlich Der Kleine Hobbit und Der Herr Der Ringe, aber auch Terry Pratchett, welcher sicherlich auch meinen Humor mit geprägt hat.
Ich glaube, zur Geschichte von Harry Potter muss man heutzutage nicht mehr viele Worte verlieren. Wer Harry, Ron und Hermine nicht kennt, hat die `00er Jahre verpennt. Dennoch für alle Schlafmützen: Harry Potter ist der Sohn zweier erfolgreicher Magier, die ihr eigenes Leben opfern, um ihren Sohn vor dem Angriff des bösartigen Schwarzmagiers Voldemort zu beschützen. Harry überlebt und kommt in die Obhut von seiner Tante und seinem Onkel: beides Muggel – das sind Menschen, die nichts von Zauberei wissen (oder wissen wollen). Er weiß zudem bis zu seinem zehnten Lebensjahr nicht mal, dass ein Magier in ihm steckt, geschweige denn, dass seine Eltern zaubern konnten. Harry kommt zur Einschulung in die Zauberschule Hogwarts und lernt ab sofort Sprüche, Tränke, Verteidigung gegen die Dunklen Künste und er lernt die Sportart Quidditch lieben. In Ron und Hermine findet er Freunde fürs Leben, in Schlosswächter Hagrid und Rektor Dumbledore Verbündete, die mit ihm allerhand Abenteuer in und um Hogwarts herum bestreiten.
Die sieben existierenden Bände des Hauptkanon im Harry Potter-Universum haben alle ihren Charme. Für mich bleibt der Gefangene von Askaban tatsächlich aber der beste Teil. Er ist spannend und zeigt erste Anzeichen davon, dass die Reihe sich vom Kinderbuchdasein emanzipiert und erwachsener wird.
Die Bücher strahlen einen unglaublichen Sinn für Gerechtigkeit, Mut, Solidarität und Offenheit aus. Selbst Diskriminierung ist ein Thema, wenn „Reinblüter“, also Magier, deren Eltern auch Magier waren, jene Zauberer und Hexen ausgrenzen und verschmähen, deren Eltern zum Teil oder komplett aus Muggeln bestehen. Auch lehnt sich Harry mehr als einmal gegen durch einen Wechsel in der Schulleitung fast schon faschistoide Führungsebenen auf. Harry Potter ist ein braver Punk. Ein lieber Junge, der weiß, was richtig und gerecht ist und sich dafür einsetzt – und um das zu erreichen häufig die Regeln bricht. Freundschaft und Liebe sind stärker als Machtgier und Neid. Das ist eine Lektion, die ich meinem Kind in diese zerrüttete Welt mit auf den Weg geben möchte. Danke, Harry, dass Du das verkörperst. Ich hoffe, dass ich in einigen Jahren meinem Sohn Harry Potter vorlesen und in ihm eine ebenso starke Faszination entfachen kann, wie diese Buchreihe es in mir ausgelöst hat. Womöglich befassen wir uns erst mal ein Weilchen mit Actionfiguren, Videospielen und Samstagmorgen-Cartoons, bevor wir uns an Harry Potter wagen. Hoffentlich wird auch aus meinem Sohn dann irgendwann ein gerechter kleiner (aber braver) Punk.
Ein Gastbeitrag von Dennis.
Dennis ist Germanist und Anglist, leidenschaftlicher Schlagzeuger bei Magma Waves, zockt seit den 80ern mit Commodore, Nintendo und co., schreibt für
Welcome To Last Week über Indiegames und redet über seine Nerd-Kindheit im Pixel Und Plastik-Podcast. Fun Fact zu seinem Beitrag für Red Riding Rogue: Dennis hat sein eigenes Kinderbuch geschrieben, die Weihnachtsgeschichte “Advent bei Liebemaus und Brummelbär“.
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