Die perfekten Maße, nahezu übernatürlich und weniger funktional. Porenreine, feine, makellose Haut. Frisur und Posen immer on fleek. Nie müde, allzeit bereit. Keine Erkältungen oder Ausfälle. Keine Launen oder Zickereien. Formbar wie Wachs. Das perfekte Model. Kein Wunder, dass animierte Figuren sich als Models und Werbeträger gerade zu anbieten. Und da Videospiele öfter als andere Medien (einigermaßen) realistisch animierte Figuren hervorbringen, sieht man nicht selten den ein oder anderen Heroine in Schale geworfen.
Jüngstes Beispiel könnte Final Fantasy XV sein, auch wenn die Protagonisten selbst nicht gerade in die Modewelt eintauchen, viel mehr die Mode ein Teil der Welt von Final Fantasy wird. So designte Modeschöpferin Vivienne Westwood das Brautkleid für Prinzessin Lunafreya, welches im Spiel sogar ausgestellt wird und im Schaufenster zu betrachten ist. Weniger elegant traf es Prinz Noctis, der im Rahmen der Kooperation mit Cup Noodles einen maßgeschneiderten… Cup-Noodle-Hut bekam. Aber dies ist gerade mal der Anfang, nur so viel sei gesagt, der Name Final Fantasy wird uns noch öfter begegnen.
Louis Vuitton, Prada und L’Cie
Bewegen wir uns ein wenig zurück in der Geschichte… von Final Fantasy. Denn nicht nur Lunafreya kann High Fashion, auch Covergirl unserer Story – Lightning – aus Final Fantasy XIII konnte ihrer Zeit einen Deal mit Louis Vuitton in die Tasche stecken. In der Kampagne »Series 4« stellt die sonst eher weniger modeinteressiert wirkende Lightning Anfang 2016 die neue Handtaschen-Kollektion des französischen Modelabels vor.
Doch sogar noch bevor die weibliche Protagonistin von Final Fantasy XIII ihr Model-Debut feiern durfte, waren ihre männlichen Kollegen dran. Bereits 2012 wurden Noel, Sazh, Snow und Hope als Models von Prada engagiert, die Springs Menswear Linie zu tragen und präsentieren. Die Posen nicht anders, wie man sie von menschlichen Körpern gewohnt ist.
Eine Animation als Star ihrer Generation
Zeit- und Genre-Sprung. Mehr als 10 Jahre zuvor, wir sind im Jahr 2001, kam der CGI animierte Film »Final Fantasy: Die Mächte in dir« auf die Leinwand. Auch wenn er den gleichen Namen trägt, hat er wenig bis nichts gemein mit der Videospielreihe, außer dass beide dem kreativen Kopf des Final-Fantasy-Urvaters Hironobu Sakaguchi entstammen. Damals war der Film in aller Munde, war er der erste vollständig computeranimierte Film mit einer realistischen Darstellung von Menschen. Kein Wunder, dass Hauptdarstellerin Aki Ross ebenso ein gern gesehenes Gesicht war. Mit Aki wurde wie mit einem echten Menschen umgegangen, auch wenn sie rein animiert war. Die DVD verfügt über einige Bonusszenen, die Aki und die restliche (reelle) Mannschaft des Films in Drehpausen gemeinsam am Set zeigen. Ziel von Square Pictures war damals noch, Aki als erste künstliche Schauspielerin zu etablieren, die in verschiedenen Filmen und Rollen auftauchen sollte. Leider spielte der Film dann doch nicht den erhofften Erfolg ein und die Pläne wurden eingestampft. Dennoch war sie kurz ein Star ihrer Zeit. Entertainment Weekly kürte sie zum »It Girl«, Maxim nahm sie auf in die Top 100 Sexiest Women, wo sie Platz 87 kürte, der sie direkt auf das Cover der Ausgabe brachte. Ihre eigene Coverstory, unabhängig irgendwelcher Modelabels.
Megastar Lara Croft
Aber Aki Ross war nicht das erste animierte Starlet. Den ersten transmedialen Durchbruch schaffte bereits unser aller liebster Tomb Raider Lara Croft. Ein Superstar einer Ära, die noch nicht vorbei zu sein scheint. Zu ihren Hochzeiten schaffte es Lara nicht nur auf etliche Videospielmagazin-Cover, sondern zierte auch die Titelseiten der Brigitte, des Focus oder der Times. Sie tauchte im Musikvideo zum Ärzte-Song »Männer sind Schweine« auf und ging mit U2 auf Tour. Und auch für einige Werbedeals war sich die Gute nicht zu schade. Doch ist Lara Croft nicht die Frau, der man einfach so das Outfit von der Stange überzieht. Lara hat ihren eigenen ikonischen Look, den sie immer beibehält. Auch in Werbungen für beispielsweise Visa oder die Automarke Seat. Bereits in den 1990ern ist Lara voll durchgestartet und erfindet sich heutzutage durchgehend neu. Ob im Reboot der Videospielreihe, das eine junge, verletzlichere Lara zeigt oder die Neuverfilmung ihrer Abenteuer, nachdem sie es bereits 2001 erstmals in Form von Angelina Jolie auf die großen Leinwände schaffte.
Vergleicht man die heutige mit der damaligen Lara Croft, dann scheint sie irgendwas verloren zu haben… Sie sieht besser aus denn je, nun ja, ist besser animiert. Aber früher wurde sie als Superstar gefeiert und hatte allerlei Gastauftritte hier und da. Lara war und ist ein Star. Und auch die Ambitionen hinter Aki Ross waren hoch und gingen weitaus mehr über das Gelegenheits-Model-Dasein hinaus. Lara und Aki hatten Charakter, Persönlichkeit, nahezu ein Eigenleben und Starappeal. Videospielfiguren heutzutage scheinen hingegen nur noch als Schaufensterfiguren zu fungieren.
Da stehen sie, posieren für die fiktive Kamera. Schmeißen sich in Designer-Outfits, schwingen Handtaschen umher oder tragen Nudelsuppen auf den Kopf. Sie haben die perfekten Maße, die (digitale) Kleidung sitzt wie angegossen. Die Haut rein und makellos. Niemals müde, niemals krank. Die stillen Protagonisten hochkarätiger Werbekampagnen. Die perfekten Models.
Eigentlich ist es doch schade, dass beliebte Videospielfiguren heutzutage nur noch als gut positionierte Mannequins dienen und nicht mehr durch alle Medien hinweg als die Superstars gefeiert werden, die sie für uns sind. Statt dass wir ikonische Protagonisten in Werbespots beobachten, wandert die Werbung immer mehr in unsere Videospiele. Aber dies ist einen eigenen Text wert.
Sehr schöner Artikel, vielen lieben Dank dafür, es hat mir sehr viel Freude bereitet diesen zu lesen.
Awww, vielen Dank für diese lieben Worte! 🙂
Sehr gerne, in Blogs wird heute leider viel zu selten kommentiert.
Was wohl die Zukunft in Videospielen und darüberhinaus bieten wird? Sollten David Cage Spiele eine Verfilmung erhalten, könnte man auf die original Schauspieler zugreifen und hätte eine perfekte Mischung und Symbiose aus Videospiel und Verfilmung!
Sehr interessant Dein Beitrag Sophia.
Das Thema ist wirklich spannend. Auch ich kann mich natürlich an viele Videospiel-Charaktere erinnern, die mich über die Jahre begleitet haben. Glatt und makellos war so gut wie keiner davon 😉
Ich finde Du hättest noch ein wenig weiter philosophieren können, denn Deine Feststellung: “…dass beliebte Videospielfiguren heutzutage nur noch als gut positionierte Mannequins dienen und nicht mehr durch alle Medien hinweg als die Superstars gefeiert werden…” wirft ja die Frage auf, warum das heutzutage so ist. Warum kommen unsere Helden nicht mehr aus dem Medium “heraus” und erobert die anderen Welten? Liegt es an die Masse an Spieleproduktionen? Oder tatsächlich daran, dass Videospiele zu einer echten Werbefläche geworden sind? Oder an der Mutlosigkeit der Studios kantige Figuren zu erschaffen?
Vielen Dank auf jeden Fall für Deinen anregenden Text! Darüber muß ich auf jeden Fall noch einmal nachdenken.