Ina Steg, Autorin
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– Stell dich doch bitte vor! Wer bist du, was ist dein Bezug zu LGBT+ und was machst du?
Ich heiße Ina Steg, bin 39 Jahre alt und befasse mich mit allem, was mit Schreiben zu tun hat. Ich konnte bisher drei Romane und eine Kurzgeschichte im Ylva Verlag veröffentlichen, in denen Frauen Frauen lieben. Zusammen mit anderen Künstlerinnen sind zwei Werke im Selfpublishing entstanden. Mit der Autorin Jolene Walker habe ich eine Kurzgeschichte verfasst. Mein erstes Buch mit Mikroprosa bzw. Lyrik wurde von der Autorin Anna Thur herausgegeben und Madita Sternberg hat es illustriert (alles dazu auf meiner Webseite). Ich bin gerne auf Twitter unterwegs und tausche mich mit anderen aus. Da ich auch gerne fotografiere, poste ich bei Instagram vor allem Fotos meiner Hände. Neben unserer Sprache sind sie für mich unser wichtigstes Instrument, um uns auszudrücken. Ich plane ein Fotoprojekt mit anderen, bei dem ich ihre Hände sprechen lasse. Mich interessiert die Antwort auf die Frage: Was würde man wohl über jemanden denken, dessen Namen man nicht kennt und sein Gesicht nicht sieht, sondern als erstes seine Hände?
– Inwiefern findet sich LGBT+ in deiner Arbeit wieder? Legst du besonderen Wert auf Diversität, thematisierst du Erfahrungen? Wie nutzt du deine Stimme? Hast du schon immer LGBT+ in deiner Arbeit thematisiert? Falls nicht, was war der Auslöser, diese Thematik mit einfließen zu lassen?
Mit dreizehn wurde mir bewusst, dass ich mich in eine Frau verliebt habe. Das war Mitte der Neunziger. Meine eigene Welt wurde dadurch sehr klein, denn während alle anderen ihre Vorbilder und ihre Geschichten zum träumen in Filmen und in ihrem nahen Umfeld fanden, musste ich sehr bewusst danach suchen. Zu der Zeit gab es auch schon queere Figuren in Filmen und in Serien, bloß war für sie meist kein glückliches Ende vorgesehen. Die schwulen Männer wurden oft nur als stets gut gelaunte, beste Freunde dargestellt, die aber kein eigenes Liebeslieben zu haben schienen und die lesbischen Frauen waren die mit einer schlimmen Vergangenheit, die von einer heterosexuellen Frau gerettet wurden und diese dann eventuell auch ihre bisexuelle Seite entdeckte.
In meiner Stadt gab es einen Frauenbuchladen. Als ich das erste Mal ein Buch las, in dem eine lesbische Frau vorkam, habe ich vor Erleichterung geweint. Viele Geschichten waren jedoch auch stark von dem generellen Kampf der Frau und ihr Ansehen in der Gesellschaft gefärbt. Die meisten Geschichten hatten deshalb eine gewisse Schwere. Vor dem historischen Kontext ist das zwar erklärbar, aber als junger Mensch habe ich diesen Aspekt natürlich nicht gesehen, sondern mir nur gewünscht, einfach Teil dieser Gesellschaft zu sein und vielseitigere Möglichkeiten zu bekommen, meine Identität in Vorbildern zu finden. Dieses Gefühl hat mich beim Schreiben meiner Geschichten sehr geprägt. Meine Hauptfiguren sind Frauen, die in ihren Leidenschaften ganz und gar aufgehen, sei es in ihrem Beruf, oder einer bestimmten Lebenseinstellung. Oft wollen sie sich nicht outen, weil sie in ihrer Ganzheit gesehen werden wollen.
Ich finde, Liebe ist das Schönste was wir empfinden können und zu geben haben, sie gehört zu jedem von uns. Eine bestimmte Definition des Ganzen zieht gleich immer eine Schublade an Klischees mit sich, deshalb ist es mir wichtig, die Frauen in meinen Geschichten als die Menschen auftreten zu lassen, die sie sind, mit all den Sorgen, Ängsten und Wünschen, die jeder Mensch empfindet – und, ach ja, sie lieben auch Frauen.
Ich schreibe die Geschichten, die ich früher gerne gelesen hätte. Heute ist das Angebot an queeren Figuren und Geschichten zum Glück deutlich vielseitiger und facettenreicher, das ist wundervoll. Trotzdem denke ich, dass vor allem die Filmindustrie in der Etablierung von queeren Figuren noch viel mutiger werden sollte.
– Hast du aufgrund deiner Arbeit und Stimme für die Szene negative Erfahrungen machen müssen? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Nein, aber mir wurde in zwei Wohnanlagen sehr deutlich gezeigt und gesagt, dass ‚man Lesben und Schwule dort nicht haben wolle‘. Ich habe mich damals nicht getraut mich zu wehren. Heute würde ich meine Meinung sagen und bleiben.
– Aktuell befinden wir uns im Juni, dem jährlichen Pride Month. Hat der Pride Month und seine Gesichte eine Bedeutung für dich? Hältst du ihn für wichtig für die Szene? Viele lehnen den Pride Month ja mittlerweile ab, da er von Firmen instrumentalisiert wird.
Für mich bedeutet dieser Monat eine Art von Erwachen, denn ich denke: Wow, da seid ihr ja alle. Auf dem CSD tanke ich auf und genieße die wunderbare Energie. Queere Menschen sind in dieser Zeit sichtbarer, es ist leichter, viele davon zu treffen, anstatt immer nur einige wenige. Ich erlebe in meinem Umfeld zum Glück eine große Solidarität, die zu dieser Zeit nochmal einen anderen Ausdruck bekommt. Menschen, die ihre Stimme für Gleichberechtigung erheben wollen, nutzen auf dem CSD oder im Rahmen von Aktionen in den Sozialen Medien mit vielen anderen die Chance dazu, verstärkt wahrgenommen zu werden. Sichtbarkeit von denjenigen, die gehört werden müssen, weil ihre Situation sonst leicht übersehen und vergessen werden kann, ist immer wichtig und auch nötig, jeden Tag, überall auf der Welt. Im Rahmen des Pride Month entstehen viele gute Ideen, vielleicht kann man davon noch viel mehr übernehmen und sie durchgängig nutzen.
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